Medizinische Kleintierklinik
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Impfmanagement bei Hund und Katze während der SARS-CoV-2-Pandemie

16.04.2020

Prof. Dr. Katrin Hartmann und Dr. Michèle Bergmann

Hund in LandschaftDie Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie führt allerseits zu großer Besorgnis. Reguläre Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen von Tieren können vielfach nicht stattfinden, da die Dienste vieler Tierarztpraxen und -klinken auf die Notfallversorgung beschränkt sind und Tierbesitzer mit ihren Tieren zu Hause bleiben. Dies führt dazu, dass das Impfmanagement der Tiere oft nicht wie eigentlich vorgegeben fortgesetzt werden kann. Expertengruppen, wie z. B. die WSAVA, haben Stellungnahmen verfasst, die sich um eine Anpassung der Impfempfehlungen an die aktuelle Situation bemühen und wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen. Impfungen sind unerlässlich, um vor vielen Infektionskrankheiten vorzubeugen. Eine wichtige Frage ist, ob Tiere auch vor Infektionskrankheiten geschützt sind, wenn sie Impfungen aufgrund der aktuellen Umstände nicht erhalten und zu welchem Zeitpunkt der Schutz einer Impfung nicht oder nicht mehr besteht.


Man unterscheidet Core-Vakzinen und Non-Core-Vakzinen.

  • Gegen die Erreger der Core-Vakzinen muss jedes Tier zu jeder Zeit geschützt sein (was nicht zwangsläufig heißt, dass es geimpft sein muss, es kann auch z. B. nach überstandener Krankheit einen Schutz haben).
  • Gegen die Erreger der Non-Core-Vakzinen sollten nur manche Tiere unter bestimmten Bedingungen geschützt werden, entsprechend ihrer Lebensbedingungen, ihres Alters und anderer Faktoren.
  • Des Weiteren gibt es einige Impfungen, die nicht empfohlen werden, weil sie sich wissenschaftlich als nicht wirksam erwiesen haben. Hierzu zählt die Impfung gegen FIP sowie die in bestimmten Ländern (Nord-und Südamerika, Asien) erhältlichen Impfungen gegen canine Coronaviren. Aus aktuellem Anlass muss darauf hingewiesen werden, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Impfstoffe bei Hunden und Katzen eine Kreuzprotektivität gegen SARS-CoV-2 bei hervorrufen. Tierärzte dürfen keine Impfstoffe gegen canine und feline Coronaviren empfehlen oder verwenden, um (fälschlicherweise) gegen SARS-COV-2 zu schützen.
  • Es gibt derzeit keine Hinweise, dass Haustiere das SARS-CoV-2 auf Menschen oder andere Tiere übertragen könnten. Die klinische Relevanz von SARS-CoV-2 bei Hunden und Katzen ist bislang unzureichend geklärt.


Nachfolgend finden Sie aktuelle Empfehlungen der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Impfmanagement von Hunden und Katzen unter Berücksichtigung der SARS-CoV-2-Pandemie.

Core-Komponente

Antigene des caninen Parvovirus (CPV), des Staupevirus (CDV), des Tollwutvirus und der Leptospiren zählen zu den Core-Komponenten beim Hund. Zu den Core-Komponenten bei der Katze zählen Antigene des felinen Parvovirus (FPV), des felinen Herpesvirus (FHV-1) und des felinen Calicivirus (FCV).

Zur vertiefendenen Information lesen Sie bitte die generellen Empfehlungen zu Impfintervallen der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München.


Die Medizinischen Kleintierklinik und die StIKo Vet empfehlen bei allen richtig grundimmunisierten Hunden für CDV, CPV und das Virus der Hepatitis contagiosa canis (HCC) beim Hund und für FPV bei der Katze Wiederholungsimpfungen im Abstand von 3 Jahren (auch wenn die Angaben der Gebrauchsinformation mancher Zulassungsinhaber hiervon abweicht). Studienergebnisse lassen aber annehmen, dass Impfungen gegen virale Core-Komponenten Impfstoffen, die modifiziertes Lebendvirus enthalten, einen länger anhaltenden (möglicherweise lebenslangen) Schutz bieten und Wiederholungsimpfungen in längeren Intervallen, also auch nach der SARS-CoV-2 Pandemie, völlig ausreichend sind. Daher können die Wiederholungsimpfungen ohne Probleme auch später im Rahmen einer regulären Terminsprechstunde erfolgen, wenn die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben sind.

Anders ist dies bei der Grundimmunisierung im Welpenalter. Welpen müssen Impfungen in regelmäßigen Abständen, alle 3-4 Wochen, erhalten (ab einem Alter von 8 Wochen bis mindestens zur 16. Lebenswoche) gefolgt von einem Booster nach ca. einem Jahr, um sicher geschützt zu sein. Diese Impfungen sind wichtig, um den Zeitraum zu überbrücken, in dem bei manchen Welpen noch maternale Antikörper vorhanden sind, bei anderen dagegen schon nicht mehr. Es ist also essentiell, Welpen auch während der SARS-CoV-2 Pandemie, zu impfen.

Die Grundimmunisierung von Katzen und Hunden sollte trotz Pandemie-Situation möglichst korrekt durchgeführt werden und daher „als Notfallmaßnahme“ gelten. Bei Hunden > 16 Wochen und Katzen > 20 Wochen reicht eine Impfung und ein Booster nach ca. einem Jahr.


Die Tollwut-Impfung ist die einzige Impfung in Deutschland (und Europa), die gesetzlich vorgeschrieben ist und genau nach den Herstellerangaben geimpft werden muss. Laut Tollwut-Verordnung ist eine Tollwut-Impfung dann gültig, wenn Sie im Falle der Erstimpfung bei Welpen im Alter von mindestens 12 Wochen mindestens 21 Tage nach der ersten Impfung und längstens um den Zeitraum zurückliegt, den der Impfstoffhersteller für eine Wiederholungsimpfung angibt. In Deutschland gibt es derzeit Impfstoffe mit einer Zulassung zwischen 1 Jahr und 3 Jahren. Generell sind Impfstoffe mit länger zugelassenen Intervallen vorzuziehen, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Das Überschreiten der Fristen, selbst um 1 Tag, kann im Reiseverkehr Quarantäne-Maßnahmen nach sich ziehen. Der Schutz nach Tollwutimpfung hält allerdings vermutlich über einen längeren Zeitraum (>3 Jahre) an.

Eine Tollwutimpfung kann in der derzeitigen Situation hinausgeschoben werden, auch wenn sie laut Herstellerangaben nötig ist, da Reisen im Moment generell nicht erlaubt oder empfohlen werden. Wichtig ist jedoch, dass die Tollwutimpfung (nach Aufheben der Pandemie-Bestimmungen) mindestens 3 Wochen vor einer geplanten Reise durchgeführt wird.


Impfungen gegen Bakterien (z. B. Leptospiren) oder Parasiten (z. B. Leishmanien) führen zu einem deutlich kürzeren Schutz als Impfungen gegen Viren. Für diese Impfungen sind daher jährliche Wiederholungsimpfungen notwendig. Die Durchführung von Impfungen der Non-Core-Komponenten wird derzeit im Rahmen der Pandemie-Bestimmungen nicht empfohlen.

Die Impfung gegen Leptospirose zählt jedoch zu den Core-Komponenten. Im Frühjahr steht bei vielen Hunden die jährliche Wiederholungsimpfung an. Wiederholungs-impfungen können wie gewohnt erfolgen (also als einmaliger Booster), wenn diese spätestens 6 Monaten nach Überschreitung der 1-Jahresfrist gegeben werden. Wird die Wiederholungsimpfung später gegeben (>6 Monate), muss eine neue Grundimmunisierung (2 Impfungen im Abstand von 3-4 Wochen durchgeführt werden).

Ein Impfintervall der Leptospirose-Impfung >18 Monate sollte daher unbedingt vermieden werden, da Hunde sonst potentiell ungeschützt sind. Wiederholungsimpfungen gegen Leptospirose sind daher ebenfalls „als Notfallmaßnahme“ anzusehen.