Medizinische Kleintierklinik
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Krankheiten

Was ist die Mastzelle, was der „Mastzelltumor“?

Mastzellen stammen von bestimmten Vorläuferzellen im Knochenmark ab, werden ins Blut abgegeben und siedeln sich an bestimmten Stellen im Körper an. Ihre physiologische Funktion besteht aus ihrer Beteiligung an Immun-, Allergie- und Entzündungsreaktionen.

Beim Mastzelltumor handelt es sich um eine Ansammlung neoplastischer (entarteter) Mastzellen. Der Mastzelltumor des Hundes stellt eine der häufigsten Tumorerkrankung der Haut dar. Oft sind diese Tumoren an Gliedmaßen, Rumpf oder Kopf lokalisiert. Seltener erkranken Hunde an einer generalisierten Form oder einer Form, bei der sich die bösartig veränderten Zellen primär in inneren Organen ansiedeln.

Die Ursache, warum sich Mastzellen bösartig verändern, ist bisher noch nicht bekannt. Es gibt jedoch häufiger betroffene Hunderassen, wie z.B. Retriever und Boxer. Boxer sind besonders häufig betroffen, sie entwickeln aber in den meisten Fällen histologisch betrachtet eine weniger bösartige Form der Tumorerkrankung. Deshalb scheinen betroffene Boxer meist eine bessere Prognose zu haben (1). In manchen Studien stellen Boxer über 25% der Mastzelltumorpatienten dar. Die Häufung von Mastzelltumoren bei bestimmten Rassen deutet auf eine genetische Komponente der Mastzelltumor-Entstehung hin.

Woran erkenne ich, dass mein Tier erkrankt ist?

Jeder Hautknoten kann prinzipiell ein Mastzelltumor sein, deshalb ist es sehr wichtig bei auffälligen Veränderungen möglichst früh den Hund zur Untersuchung bei einem Tierarzt vorzustellen. Die Hautveränderungen können sich als knotige bis teigige, haarlose oder auch mit Haaren bedeckte Knoten präsentieren, aber auch als eine nässende offene Wunde auftreten. Meistens handelt es sich um einzelne Hautknoten, bei 11% bis 14% der erkrankten Tiere werden jedoch Veränderungen an mehreren Stellen beobachtet (2).

Mastzellen haben verschiedene aktive biologische Substanzen (z.B. Heparin, Histamin, bestimmte Enzyme) in ihrem Zellinneren gespeichert und können diese spontan oder durch Manipulation ausschütten. Bei der Freisetzung dieser Substanzen kann es zu verschiedenen Auswirkungen kommen, die den ganzen Körper oder Körperteile, die sogar weit von der eigentlichen Tumorstelle entfernt liegen, betreffen (z.B. lokale Schwellungen, Erbrechen, Schocksymptome als paraneoplastisches Syndrom).

Aus Mastzellen freigesetzte Substanzen können unter anderem zu Blutungsneigungen, Juckreiz oder auch zu Wundheilungsstörungen führen. Bei vielen der betroffenen Hunde verursachen diese Substanzen Magen- oder Dünndarmgeschwüre (Ulzerationen), die sich in dunkel gefärbtem Kot (durch angedautes Blut), Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Bauchschmerzen äußern können. Werden große Mengen dieser Substanzen auf einmal freigesetzt, kann es auch zu allergieartigen Reaktionen kommen, was in einigen Fällen sogar lebensbedrohlich sein kann.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Da das äußere Erscheinungsbild so vielfältig ist, muss eine genaue Diagnose anhand einer Feinnadelaspiration gestellt werden. Hierfür werden mit Hilfe einer feinen Kanüle einige Zellen aus dem Tumor entnommen, auf einem Objektträger ausgestrichen und nach dem Anfärben unter einem Mikroskop untersucht. Dies kann vor Ort in der Tierklinik/-praxis oder in einem speziellen Labor geschehen.

Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist die Therapie der Wahl den Tumor chirurgisch zu entfernen. Es ist ausgesprochen wichtig, den Tumor anschließend von einem Pathologen feingeweblich untersuchen zu lassen, da das weitere Vorgehen und auch die Prognose von der histopathologischen Differenzierung (Grad I - III) abhängt. Vor einer Operation ist es jedoch genauso wichtig zu wissen, ob es schon zu einer Streuung von Tumorzellen (sog. Metastasen) gekommen ist. Hierfür werden die umliegenden Lymphknoten klinisch und zytologisch untersucht, d.h. wenn möglich wird auch von ihnen eine Feinnadelaspiration genommem und untersucht. Des Weiteren sollte bei besonders aggressiven Tumoren (Grad III) eine Untersuchung des Bauchraums mittels Ultraschall erfolgen, um abzuklären, ob bereits Strukturveränderungen von z.B. Milz oder Leber vorliegen, die verdächtig für Metastasen sind.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Mastzelltumoren des Grades I und II werden bei vollständiger chirurgischer Entfernung aus dem umliegenden Gewebe prognostisch als sehr günstig eingestuft. Wurden sie vollständig  entfernt, sind die Tiere in vielen Fällen von diesem Tumor geheilt. Konnten sie jedoch nicht vollständig aus dem umliegenden Gewebe operiert werden, empfiehlt sich eine radikale Nachoperation oder eine Bestrahlungstherapie. Bei einer Bestrahlungstherapie wird in ca. 15 Therapiesitzungen versucht, Resttumorzellen im Gewebe abzutöten.

Da aggressive Grad III Mastzelltumoren eine wesentlich höhere Metastasierungs- und Rezidivrate besitzen, ist hier neben der chirurgischen Entfernung des Primärtumors eine anschließende Chemotherapie zu empfehlen. Hat der Tumor bereits gestreut, kann eine alleinige Chemotherapie in vielen Fällen die Lebensqualität verbessern und das Leben verlängern.

Welche Lebenserwartung und Lebensqualität hat mein Tier?

Bei Grad I und II Mastzelltumoren ist die Prognose nach chirurgischer Entfernung gut und die Wahrscheinlichkeit einer Heilung groß. Viele Tiere leben noch mehr als 2 Jahre nach Entfernung des Tumors.

Bei Beteiligung von Lymphknoten, dem Auftreten von klinischen Anzeichen wie Appetitlosigkeit, Erbrechen oder dunkel gefärbtem Kot ist die Prognose ungünstiger.

Grad-III-Mastzelltumoren haben bei alleiniger chirurgischer Entfernung eine sehr schlechte Prognose, da dieser Tumor ein weitaus aggressiveres Verhalten aufweisen. Trotz Chemotherapie kommt es meist innerhalb eines Jahres zu einem erneuten Auftreten des Tumors oder zu Metastasen in Lymphknoten und innere Organen (3).

Was kann man zusätzlich zur Chemotherapie und chirugischen Entfernung tun?

Um einer Entwicklung von Magengeschwüren vorzubeugen, kann dem Patienten ein Antihistaminikum (H2-Blocker z.B. Ceterizin oder Famotidin) verabreicht werden. Um zusätzlich vorhandene Juckreiz zu nehmen und allergie-artigen Reaktionen vorzubeugen, kann ein Antihistaminikum (H1-Blocker, z.B. Diphenhydramin) verwendet werden.

Alle diese Medikamente sollten aber nur nach tierärztlicher Verordnung eingesetzt werden.

Literatur:

1. Bostock DE: Neoplasms of the skin and subcutaneous tissues in dogs and cats, Br Vet J 142:1-19,1986.

2. Mullins MN, Dernell WS, Withrow Sj et al: The syndrom of multiple cutaneous canine mast cell tumors: 54 cases( 1998-2004), J Am Vet Med Assoc 228:91-95, 2006.

3. Webster JD, Yuzbasiyan-Gurkan V, Thamm DH, Hamilton E, Kiupel M. Evaluation of prognostic markers for canine mast cell tumors treated with vinblastine and prednisone. BMC Vet Res. 2008;13:32.

4. Vickery KR, Wilson H, Vail DM, Thamm DH. Dose-escalating vinblastine for the treatment of canine mast cell tumour. Vet Comp Oncol. 2008;6:111-9.

5. Rassnick KM, Bailey DB, Flory AB, Balkman CE, Kiselow MA, Intile JL, Autio K. Efficacy of vinblastine for treatment of canine mast cell tumors. J Vet Intern Med. 2008;22:1390-6.

6. Rassnick KM, Williams LE, Kristal O, Al-Sarraf R, Baez JL, Zwahlen CH, Dank G. Lomustine for treatment of mast cell tumors in cats: 38 cases (1999-2005). J Am Vet Med Assoc. 2008 Apr 15;232(8):1200-5.

7. Hahn KA, Ogilvie G, Rusk T, Devauchelle P, Leblanc A, Legendre A, Powers B, Leventhal PS, Kinet JP, Palmerini F, Dubreuil P, Moussy A, Hermine O. Masitinib is safe and effective for the treatment of canine mast cell tumors. J Vet Intern Med. 2008;22:1301-9.

8. London CA, Malpas PB, Wood-Follis SL, Boucher JF, Rusk AW, Rosenberg MP, Henry CJ, Mitchener KL, Klein MK, Hintermeister JG, Bergman PJ, Couto GC, Mauldin GN, Michels GM. Multi-center, Placebo-controlled, Double-blind, Randomized Study of Oral Toceranib Phosphate (SU11654), a Receptor Tyrosine Kinase Inhibitor, for the Treatment of Dogs with Recurrent (Either Local or Distant) Mast Cell Tumor Following Surgical Excision. Clin Cancer Res. 2009;15:3856-3865.